Sitzen bleiben!
Bereit für Revolutionary Leadership?
Sitzen zu bleiben kann Anfang oder frühes Ende einer Revolution sein. Rosa Parks blieb am 1. Dezember 1955 sitzen, als sie aufgefordert wurde, aufzustehen und ihren Sitzplatz in einem öffentlichen Bus für andere Fahrgäste zu räumen. Es folgten Verhaftung und wenig später der bis dahin größte Aufstand der nicht weißen Bevölkerung, die damals in Montgomery nicht nur im US-Bundesstaat Alabama vor dem Gesetz Menschen zweiter Klasse waren. Nach etwas mehr als einem Jahr führte die durch ihre Entschlossenheit entzündete Revolution zum Ende der bis dahin gesetzlich verankerten Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Doch sitzen zu bleiben ist meist das Gegenteil von Aufbruch. Denn auch wenn klar ist, dass eine Situation nicht so bleiben kann, machen wir oft mit dem weiter, das objektiv betrachtet keine Zukunft hat, unser Wohlergehen oder gar das Überleben bedroht oder sich einfach falsch anfühlt.
Wir bemerken natürlich, dass unser gemütliches Verharren falsch und feige ist. Um unser angekratztes Selbstbild zu retten, erzeugen wir die passende innere Rechtfertigung. Wir erzählen uns selbst und dann den anderen, aufgrund der erwartbaren Konsequenzen keine Wahl zu haben. So bekommt das unvernünftige Nichthandeln einen guten und natürlich nachvollziehbaren Grund. Ein fadenscheiniger doch wirksamer Mechanismus, um mutlose Trägheit vor sich und anderen zu rechtfertigen.
Diese selbstverordnete Ohnmacht ist überall anzutreffen. Mitarbeiter:innen sehen sich von ihren Vorgesetzen behindert und schieben die Verantwortung für Wandel in Richtung Chef-Etage.
Doch auch Führungskräfte oder Politiker:innen fühlen sich ohnmächtig. Gründe dafür gibt es glücklicherweise immer genug: Die nur am Profit orientierten Aktionäre, das unbelehrbare Volk, kurzsichtige Wähler und Wählerinnen, die verwöhnten Kunden, egoistische Mitarbeiter:innen und natürlich das System, der Markt oder die noch nicht ausgereifte Technologie. Es gibt es immer ausreichend Gründe, um abzuwarten und der Wahrheit des Bisherigen die Gestaltungsmacht zu überlassen. Denn wie sagt ein Sprichwort so treffend: „Wer etwas will, sucht Wege. Wer etwas nicht will, sucht Gründe.“
Wandel braucht Revolution
Führung in und durch notwendigen Wandel sieht anders aus. Doch sogar das Management fühlt sich meist in die Gegenwart gedrängt und in erster Linie mit der Verwaltung knapper Ressourcen und dem Kampf gegen akute Probleme beschäftigt. Leadership, also das Finden und Führen in Richtung neuer Horizonte und verlockender Ziele, hat auch bei dieser Berufsgruppe Seltenheitswert.
So bleibt alles wie es ist, zumindest hoffen wir das. Dafür strengen wir uns eben noch mehr an! Auch wenn das aufgrund der Ursache der Krisen, nämlich der jeweils zu Ende gehenden Epoche einer Entwicklung, immer weniger funktionieren kann.
Rosa Parks hätte auch weniger Probleme gehabt, wäre sie ein weiteres Mal aufgestanden. Aufstehen wäre für Sie auf kurze Sicht vernünftiger gewesen. Keine Verhaftung, keine Anfeindungen, keine beunruhigende Revolte. Aber ihre Hoffnung, durch bloße Anpassung Neues zu ermöglichen, war offensichtlich aufgebraucht. Vielleicht auch weil sie einfach zu müde war, um nach ihrem langen Arbeitstag als Schneiderin den Rest der Fahrt zu stehen. Ärger und die wachsende Unfähigkeit diesen hinunterzuschlucken hilft, um über sich hinauszuwachsen und die Angst vor den Konsequenzen zu überwinden.
Denn auch wenn wir hoffen, dass Wandel ein evolutionärer und damit bruchloser, geschmeidiger Prozess wäre, er ist es nicht. Ohne Revolution, ohne Bruch, ohne Widerstand und ohne epochale Enden kein Wandel und keine Chance auf den Anfang von etwas zeitgemäß Neuem. Auch wenn der Mainstream noch immer der Hoffnung des Wandels durch Innovation und smartes Wachstum hinterher japst. Diese fehlleitende Hoffnung ist jedoch gut nachvollziehbar. Schließlich ist es angenehmer, scheinbar völlig friktionsfrei, wenn auch in Wahrheit auf Kosten anderer oder der sogenannten Umwelt, immer besser zu leben.
Notwendige Brüche und revolutionäre Konflikte konnten wir bislang durch die Verteilung des stetig möglichen materiellen Mehr an Wohlstand umschiffen oder zumindest verschleiern. Diese Phase geht zu Ende, auch wenn wir das gerne verdrängen.
Die Quelle der Gefolgschaft
Wie wird man zum Anführer oder zur Anführerin eines notwendigen epochalen Wandels, dessen Zeit gekommen ist? Geburt, Ausbildung, Erfahrung, Expertise sind keine zwingenden Gründe. Ebenso wenig die formelle Ermächtigung durch jene, die das aktuelle System vertreten. Im Gegenteil.
Echte Führung, neudeutsch Leadership, im Gegensatz zum Management, das ursprünglich Verwaltung meinte, ist eine Frage der Autorität und nicht der Macht, verliehen durch die Eliten der zu Ende gehenden Epoche.
Autorität entsteht durch die Zuschreibung und Bereitschaft zur freiwilligen Gefolgschaft jener, die sich anvertrauen, weil sie sich erkannt und verstanden fühlen, durch eine neue stimmige Perspektive wieder hoffen können. Führung hat so scheinbar paradoxerweise immer mit Empowerment, also Ermächtigung zur Gestaltung der Welt zu tun.
Letztlich folgen wir jenen Menschen, die durch ihr authentisches Verhalten, durch ein unaufdringliches Sinnangebot, eine hoffnungsvolle Perspektive und ihre vertrauenserweckende Zuversicht unsere Akzeptanz und unseren Respekt gewinnen. So können sie uns die Angst vor dem Wandel und die Orientierungslosigkeit nehmen und uns aus der Ohnmacht führen.
Daher ist die Basis für kraftvolle Führung kein hilfreiches Coaching eines wohlwollenden Chefs oder Problemlösungsangebote selbstloser Heilsbringer, selbst wenn sie es ehrlich meinen, sondern im ersten Schritt vor allem das eben nicht auf andere Menschen ausgerichtete Eintreten für eigene Bedürfnisse, Werte und Hoffnungen. Führung beruht immer auf einer impliziten Gleichrangigkeit und nicht der Helfer-Opfer Logik.
Rosa Parks hatte einfach genug und trat zunächst für sich ein. Natürlich setzte sie damit indirekt ein Zeichen und wurde „nebenbei“ zum Vorbild und zur Hoffnung aller, die unter dieser Ungerechtigkeit litten. Doch zuallererst war Sie ein Mensch, dessen Verhalten furchtlos und konsequent war und damit Mut und Hoffnung auf eine notwendige Veränderung und das Ende der Ohnmacht entstehen ließ, auch wenn es noch viele Auseinandersetzung dafür benötigen sollte.
Leadership ist immer zutiefst in den meist nur impliziten, persönlichen Werten und Utopien begründet. Egal ob diese den Zeitgeist treffen, für anderen hilfreich sind oder zu Ruhm führen. Studiert man Biografien jener Menschen, deren wegweisende Ideen oder heroische Taten gefeiert werden, erkennt man ein wiederkehrendes Motiv, das sie als Impuls für ihre ambitionierten Taten und ihres anfangs bestenfalls belächelten Bemühens anführen: Sie seien ihrem Herzen, der empfunden Notwendigkeit und weil es sonst niemand übernommen hätte, oder ihrem Traum gefolgt. Kein Schielen nach narzisstischer Popularität, keine pathologische Hoffnung auf Weltherrschaft oder das Streben nach Reichtum. Nur die stille Überzeugung, jetzt das Notwendige und einzig Richtige tun zu wollen.
Die Quelle kraftvollen Leaderships ist es offensichtlich, der eigenen Stimme zu vertrauen und sie dafür überhaupt wieder oder erstmals wahr-zu-nehmen, durchaus im doppelten Wortsinn verstanden.
Erst die autonome Feinfühligkeit für das in der Luft liegende Potenzial, verbunden mit der Bereitschaft, sich dem hoch persönlichen Impuls, der eigenen Sache hinzugeben, macht kraftvolle Führungspersönlichkeiten aus. Gefolgschaft zu finden, ist damit kein Privileg, sondern die Verantwortung, die eigenen Hoffnung im Dienste des Ganzen zu verwirklichen.
Zeit für Revolutionary-Leadership
Gerade heute, in einer Zeit in der über die mannigfaltigen Krisen so viel gewusst, gefordert und vor allem geredet wird, ist es Zeit, sich der eigenen Rolle und Mission anzuvertrauen. Dafür ist es wichtig, hinzuhören, welcher Impuls jenseits des vordergründig Notwendigen, des zeitgeistig Beklatschten oder ehrenhaft Selbstlosen hochsteigt.
Nicht was objektiv notwendig, sondern subjektiv gewollt, erhofft, ja erträumt wird, hat die Chance, die Welt zu verändern. Martin Luther King jr. teilte in seiner längst legendären Rede „I have a dream“ seinen Traum, seine Hoffnung einer besseren Welt. Kein „they should“ oder „we need to“ oder was besser wäre, sondern von welcher Zukunft er träumte und wohin er nun aufbrechen würde. Allein oder auch gerne mit allen, die seinem Sinnangebot, seiner persönlichen Hoffnung etwas abgewinnen wollen. Der Rest ist Geschichte.
Revolutionary Leadership ist daher keine Frage der Macht oder Expertise, sondern die Fähigkeit, die eigenen Hoffnungen wahr- und anzunehmen, loszugehen und dem weiteren Prozess zu vertrauen. Argumente, die die selbstgewählte Ohnmacht legitimieren, sind zutiefst nachvollziehbar. Denn Brüche und Widerstand gegen die herrschende Normalität, egal ob die persönlichen Lebensumstände oder große gesellschaftliche Veränderungen, sind immer beängstigende Zwischenphasen.
Revolutionary Leadership ist die Lizenz aus bisherigen Konventionen zu brechen, um authentischen Widerstand zu leisten, „sitzen zu bleiben“ und sich selbst und der Welt in den eigenen unmäßigen Hoffnungen und Utopien für eine neue Welt zuzumuten. Für die eigene Sache aufzustehen, heißt, das empfundene Potenzial der Zeit für sich und andere in Fluss zu bringen.
Denn wer hätte gedacht, dass der authentische Widerstand einer Schneiderin den Aufbruch in eine neue Ära entfesseln konnte.
Dieser Artikel erschien erstmals am 16. April 2024 im Personal-Manager Blog https://personal-manager.at/sitzen-bleiben-bereit-fuer-revolutionary-leadership/
Krise, Krieg und wenig Lust mehr auf mühsame Zukunft? Dieser Empowerment Podcast hilft das Potenzial des Wandel zu entfesseln, denn jetzt sind die ziemlich besten Zeiten um den Zwängen der Gegenwart auszubrechen und utopischen Ideen zu vertrauen. Eben höchste Zeit für Revolutionary-Leadership!
Dafür gibt es:
* Aufklärungsunterricht zu den populärsten Irrtümer des Wandels
* Gespräche mit Top-Leadern über ihre Ideen zur neuen Zukunft und ihre Erfahrung wie Wandel gelingt und
* mache mich auf den Weg, um über den Horizont der alten Wirklichkeit ins undenkbare Neue zu blicken
Rosa Parks blieb sitzen und löste damit eine Revolution aus. Was macht Leadership aus, dass Bewegungen hin zum Neuen entfesselt und Gefolgschaft findet?
Dieser Beitrag ist im Personal Manager Magazin im April 2024 erschienen.
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